Die Hoschköppe / 42. Kapitel - Abstrakte Irrwege

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Die Hoschköppe / 42. Kapitel

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Montag, 26. September 1988


Es war so, wie ich es mir gedacht hatte. Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht verbergen können, selbst wenn auch ich kein Wort gesagt haben würde.
Thomas war den ganzen Sonntagnachmittag bei Jochen gewesen. Und das nach diesem Brief! Zuerst sei eine Art Streitgespräch über Donnerstagabend geführt worden. Anschließend muss dann wohl die Zeit mit Sport und Spiel ziemlich schnell vergangen sein. Zu Intimitäten sei es aber nicht gekommen, nicht mal andeutungsweise, versicherte Jochen heute. Ich glaube ihm. Gestern hatte ich aber Zweifel. Deswegen auch mein so spätes Erscheinen bei Jochen zum Schlafen. Irgendwie hatte ich befürchtet, dort Thomas anzutreffen, während der davon ausging, ich lauere auf ihn bei mir zu Hause. Als ich dann Jochen alleine und friedlich schlummernd vorfand, waren mir meine Zweifel lächerlich vorgekommen.
Oh Gott und Herr im Himmel, welches Recht nehme ich mir da heraus, so zu denken! Bin ich doch der Letzte, der den Mund aufreißen darf. Aber so ist das eben: Was ich selber denk und tu, trau ich auch andern zu! So ähnlich äußerte ich mich dann auch heute beim Abendbrot, freilich ohne konkreter zu werden, denn Jochen hatte sich über mein spätes Erscheinen gewundert.
Als dann Thomas kam, ging der mal wieder ohne mich zu beachten, an mir vorbei in die Stube. Dies kränkte mich unheimlich. Die Seele tat mir so weh, als sei mein geliebter Thomas mit Füßen darauf herumgetrampelt. Ich wäre aber darüber hinweggegangen, hätte nach einer Weile alles vergeben und vergessen gehabt, wenn nicht Jochen gewesen wäre, der mir unbedingt zur Seite stehen und Thomas deswegen auszählen musste. Ein Wort gab das andere, wie üblich in solchen Fällen, mit dem Ergebnis, dass Thomas, den ich in einer schwachen Sekunde als Idioten beschimpft hatte, schon wieder die Türklinke in der Hand hielt. Beschimpft hätte ich am liebsten den einen wie den anderen, was meiner Natur gänzlich zuwider ist. Als ich mich beruhigt hatte, fragte Jochen, warum ich mich so errege, wenn er für mich eintrete. Das brauche er durchaus nicht zu tun, hielt ich ihm entgegen, ich täte es schließlich für ihn auch nicht, ich sei doch dann wohl immer ruhig. Ich denke, ich würde nur zu viel kaputt machen damit.
Allem Streit zum Trotze wurde dann doch wieder der Teppich freigeräumt und zu dritt machten wir bei lauter Musik wilde Übungen, bis uns das blanke Wasser sonst wo stand. Dem steifen Körper der beiden öllerhaftigen Knacker tat es aber gut, wenn durch etwas Bewegung der Rost von den Knochen abplatzt. Thomas mit seinen siebzehn Jahren war uns unvergleichlicher Ansporn. Es war eine Augenweide, ihn sich bewegen zu sehen, bekleidet nur mit Turnhose und Turnhemd. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als Jochen auf diesen geilen Hintern, versteckt in einer bunten Hose, und auf die bedeckte Brust hinwies, denn ich hatte das alles schon pur in meinen Händen.
Ach, was bin ich für ein fieser Schuft, dachte ich, weit entfernt davon, mir graue Asche aufs Haupt zu streuen, denn ich hoffte schon wieder darauf, dass Thomas zu mir kommen würde.



Sonntag, 25. September 1988 - Mittwoch, 28. September 1988

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