kaputte Gedichte - Abstrakte Irrwege

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kaputte Gedichte

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Ich bin der Wind


Gern treibe ich dem flachen Ufer verspielte Wellen in den lüsternen Schoß. Dort mögen sie sich vergnügen beim Spiele mit matt glänzenden Kieseln. Schon bin ich wieder fort, die Musik aber davon klingt noch nach in meinen Ohren. Auf meinen  Schultern droben lassen sich Möwen tragen, wie weiße Flocken so leicht. Leise schleich ich, vom Ufer kommend, den Steilhang hinauf. Oben schüttle ich den Sand aus meinem abgetragenen Mantel. Im Grase saß hier einst ein Knabe, oft zieht‘s mich drum zu dieser Stelle. Saß da, teils mit geschlossenen Augen, die Lenden aber frei entblößt. Eine Turnhose, von des Himmels Blau, die auseinanderstrebenden Knie bezwang. Sein Fahrrad lag allein am Wege. Den Rücken hatte er an einen Stein gelehnt, auf dem sich sonst nur Lurche wärmten. Wie entzückte mich dies unverhoffte Bild. Ganz unbemerkt trat ich hinzu, strich sachte mit den Fingern durch sein schwarzgelocktes Haar, zupfte Strähnen davon bis tief auf seine Stirn, hüllte  ihn ein in eine warme Wolke aus Duft von Algen und toten Muscheln. Zwischen die kaum gespreizten Beine bettete ich mein runzliges Gesicht. Mein Bart, lang schon alt und grau, vermischte sich mit schwarzen Locken. Ein feiner Duft, wie Honig mild, entstieg  der jungen Scham. Weit fern noch war ihr der Gestank der alten Böcke. Mit der Linken hielt er das luftige Hemd, bis hoch überm Nabel empor geschoben. Auch die Sonne schmatzte gierig ihre Küsse auf den gespannten Bauch. Seine Rechte aber… Fragt mich nicht, was diese tat! Sachte wehte ich um ihn herum, fächelte Kühlung auf seine erhitzten Wangen. Sein Atmen wurde immer schneller, auch lauter schlug sein kleines Herz. So ist auch mir kurz vor dem Sturm. Mit weiten Armen umschlang ich ihn, denn auch ich war voll Verlangen. Ein Beben wellte durch seinen schlanken Körper, schoß seinen heißen Samen mir mitten ins Gesicht. Ein tiefer Seufzer entrang sich der erschlafften Brust. Zufrieden sank sein Kopf nach hinten über, er lag nun sanft in meiner Hand. Seine Augen leuchteten in den fernen Himmel, sahen für Momente meine kahle Stirn. Ganymed war halb nur so erschrocken. Behende sprang er auf, vorbei war unser schönes Spiel, zog die Hose über seine Pracht und bestieg das schnöde Rad. Ohne viel zu Treten, fuhr er fort auf einsamen Wegen, denn ich schob von hinten. Ach, im Grase saß einst ein Knabe und…

Rostock, Dez. 1988
(05. Juli 2011)



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