kaputte Gedichte
Verweile, Wanderer!
Bei seinem Vorrücken durchwogte zusammen mit seinem Duft sein Lächeln die lärmerfüllte Luft. Schneller schlug mein Herz bei jedem seiner glühenden Blicke. Meine Augen suchten ihn wiederzufinden im Gedränge der Schlacht, immer nur ihn allein. Mein Herz, der einsame Träumer, der verwundete Kämpfer, verlangte nach Heilung durch seine Schönheit, voller Anmut. Den Schild, von Hephaistos selbst geprägt, hielt er schützend der Sonne entgegen. Ihre und unsere bohrenden Pfeile perlten golden davon ab. Statt des ersehnten Regens gab ich ihm meinen Wein zur Labung, warf ihn über wogende Helme hinweg.
Aufgefüllt brachte er in der Nacht den Schlauch zurück, trat blutend in mein Zelt. Das müde Schwert an seiner Seite, dankte er mit stummem Gruß. Den Knaben, der meine Waffen schärft, wies ich hinaus. Mit frischem Quell wusch ich den Hieb, legte Kräuter unter den Verband. Von seiner Brust den Panzer schnallte ich ab, warf den Helm hinfort. Der Feind blieb die Nacht bei mir, nur eine Nacht. Langes Hoffen und Sehnen, sich verzehren, haben mich in dieser Nacht zum glücklichsten aller Menschen gemacht. Hell und dunkel war die Nacht, laut und leise. Vor Glück haben wir geweint und gelacht. Kalt war sie, doch mir war warm in seinem Arm.
Sonne und Regen sind ein Paar, Licht und Schatten. Nur eine Nacht! Nur eine Nacht, die wir hatten. Unsere Wege, sie trennten sich, wo in Liebe wir uns gefunden. Auch Schmerz und Kummer brachte diese Nacht, denn sie kehrt nie zurück. Noch lange währt das Leben, findet noch kein Ende und aus altem Leid wächst mir ein neues Glück. Er verließ mein Zelt, als der Morgen graute, da erst stachen sie ihn nieder!
Trauere mit mir, Wanderer, um den geliebten Feind!
Rostock, 14. April 2011
02