Tagebuch einer Schlange / 1. Eintrag - Abstrakte Irrwege

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Tagebuch einer Schlange / 1. Eintrag

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8. März 81

Seit ich dieses Arbeitsbuch gekauft habe ist bestimmt ein halbes Jahr vergangen. Solange lag es in der oberen linken Schublade meiner Anbaureihe. Damals spürte ich das unbändige Verlangen, ein Tagebuch zu führen. Dass ich mich bis heute nicht entschließen konnte, endlich damit anzufangen, ist wohl darauf zurückzuführen, dass ich einerseits zu träge war und andererseits Angst davor hatte. Unter einem Tagebuch stelle ich mir ein Ding vor, dem man seine intimsten Gedanken anvertraut. Gedanken, die man sonst niemanden sagen kann, aus welchem Grund auch immer. Deshalb die Angst! Unvorstellbar die Auswirkungen, die die hier niedergeschriebenen Gedanken, von fremden Blicken gelesen, auf mich und meine Umgebung haben können.
Wie soll dann die Antwort lauten auf die Frage nach Dichtung oder Wahrheit?
Ist es gut, mein Leben einem Buch anzuvertrauen, das ich nicht wie die eigenen Augäpfel hüten kann? Ebenso gut könnte ich mein Herz in irgendeine Kiste einschließen und dann fortgehen. Wäre das nicht dasselbe? Ich nähme wohl den Schlüssel mit, aber was ist ein Schloss für denjenigen, der es öffnen will, doch alles andere als ein Hindernis.
Unaufhörlich dreht der dünne rote Zeiger meiner Armbanduhr, der meine Sekunden zählt, Runde um Runde. Einmal aufgezogen, einmal in Gang gebracht, läuft die Uhr, drehen sich ihre Zeiger. Nichts kann sie aufhalten, bis ihre Zeit abgelaufen ist. Hat die Feder ihre größtmögliche Ausdehnung erreicht, muss sie aufhören zu ticken. Ein Mensch stirbt, wenn seine Feder abgelaufen ist. Eine Uhr kann man wieder aufziehen, wenn es erwünscht ist. So hat alles seine Dauer. Nur äußere Gewalt hat darauf Einfluss.


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