Spatzgeschichten - Abstrakte Irrwege

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Spatzgeschichten

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Metamorphose


Hoch am Himmel schwere schwarze Wolken das Bild begrenzen, die in ihrem Schoß müde Geister verbergen und von hinnen tragen, welche klagend herrschen an zerschundenen Tagen und einsamen Orten und zu mitternächtiger Stunde schmerzend mit ihren wilden Tänzen die Mauern ringsum erschüttern und mit höhnischen Fragen leere Zimmer randhoch füllen und mit toten Worten auf morschen Sockeln kopflose Statuen kränzen, die mit nackten Armen fingerlos schreiend gen Himmel ragen, halb verschlungen vom knöchernen Holunder und verdorrten Schlehen; und über schwarze Steine, die nie mehr werden glänzen, kriechen furchtlos lange Dornen, aufgespießt den bunten Spatz, leblos fast, weinend zu beklagen öde Gräber, des Himmels und der Hölle offene Pforten.
Der Jahre schwarze Einsamkeit muss geduldig zusehen, wie um sicheren Halt rankend grausam wilder Wein für flinke Schemen Früchte trägt, wie tränende Geistergeigen in des Meisters Hand in liebliche Zauber langsam zergehen, die für hörende Ohren wahren Wundern gleichen. Sein Spiel will uns, bitteren Trauben gleich, die Süße des Lebens zeigen. So wie hier wilder Wein und wilde Rosen im Schatten stehen, einer vergessenen Vergangenheit ohne Zukunft, auch kein Licht auf jene Gespenster fällt, die sehnsuchtstrunken wilden Reigen um tote Eichen tanzen und sich im Federkleide drehen nach der Geigen süße Töne, um einen grünen Hain von alten Nesseln, nie gekannte, ungewollte Lust zu zeigen.
Altes Gemäuer mit bröckelnden Wunden will dem Tod entgleiten, der unerbittlich, streng und schonungslos in seinem Walten und mit grauenhaften, spielerisch lockenden Gebärden Stück um Stück die Mauern verschlingt und mit weiten Schritten den wilden Park durcheilt und mit kalten Blicken durchdringend, alles Lebende in seinem Werden erstarren lässt. Der Engel Schweben liegt in seinem Schreiten, Angst, Bitternis und grüne Galle in seines Mantels Falten. Mit sagenumwobenen gläsernen, flügelschwingenden Geisterpferden kommt ein müder Gott, Gott von verblichenen Seiten eines einbandlosen Buches, das einst in seinen Spalten voller Leben war, voller Glück und Freude und auch Beschwerden, das kündete und sang von verlorenen goldenen Zeiten, kommt zu dieser sturmumspielten Stätte, um mit geballten Fäusten schleudernd, feurige Blitze an blühende Bäume zu vererben.
Dunkle Fensteraugen leben schlaflos einen Traum von alten Zeiten, sind der Gegenwart weit entrückt. Glaslos spiegeln sie das Feuer von Freude und von Zank, spiegeln Geburt und Tod, streuen Licht auf goldbestickten Saum, der von geschickter Hand den schwarzen Mantel geschmückt, welcher lange schon eingemottet hängt im großen Schrank des Vergessens, des Niewiederkehrens, bedeckt vom Schaum des Meeres aus Blut und Tränen, einst des Tragens beglückt als Zeichen von Macht und Pracht. Ungeteilter Dank dem Flattern der Vampire, die vom blutenden Baum aufgeschreckt, zähnefletschend dem Fenstertraum ein Ende machen und wie wild und ganz verrückt am Glaslosen zerschellen und vergehen in rauchendem Gestank.
In zerfallenen Kaminen spielt der Wind mit der Nacht um Bleiben oder Fortgehen, aber keiner von ihnen will siegen. Und so bleiben beide, sich gegenseitig treibend durch das leere Schloss. Bröckelnde Ruhe hängt an den Wänden und längst ist die Schlacht mit Gott und Teufel geschlagen. Gott ließ es von·sich schieben, der Teufel aber steigt des Nachts aus tiefer Gruft, mit Phosphorfackeln in den Klauen, und beleuchtet die tote Pracht mit grün flackerndem Schein. Schreiend flüchtend fliegen schwarze Drachen aus morschem Gebälk, gleich einem Tross feiger bunter Falter, aufgeschreckt in blutiger Schlacht. Tau funkelt in erwachten Blüten, wie bittere Tränen liegen in verweinten Augen, die schauen auf den menschenfressenden Koloss, der bluttriefend und mit glühenden Augen seine Macht gebraucht. Geköpfte Rosen liegen·rot im Sand, biegen und strecken, reden und schweigen, schmieden das befreiende Geschoss.
Schwarz ward der Tag zur Mittagszeit und Blitz und Donner erfüllen die Luft. Sturmwind bricht aus Himmel und Hölle, zerreißt der Vergangenheit alten Zopf. Titanengewalt macht die Mauern nieder, spielt sich auf als Richter über Sein und Verderben, gräbt zwischen Gestern und Morgen eine Kluft, himmelhoch tief in roter Glut mit gemartertem Kopf im eigenen Sumpf versinkt der Galgen der Zeit und goldene Lichter flammen auf an seiner Stelle, hell und schön, und berauschender Duft umhüllt den P1atz. Die Gewalten verebben im eigenen Grab und mit leisem Geklopf tritt ein die neue Zeit über der Welt glasklarer Schwelle und dichter schwarzer Rauch verzieht sich ins Nichts, eilt nach dem versinkenden Schuft. Die neue Zeit beginnt glückliche Tage zu sammeln im irdenen Topf, aus dem tausendfarbige Blüten wachsen und lachende Gesichter.


Rostock, März bis Juni 1977
(03. Mai 2011)



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