kaputte Gedichte - Abstrakte Irrwege

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kaputte Gedichte

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Liebe suchen und finden


Bist du im täglich Brot, das ich esse, oder in dem süßen Wein auf meinem Tisch, in den kleinen Dingen, die ich stets vergesse, oder schwimmst du davon als flinker Fisch? Aus dem offenen Fenster schaust du nicht, wenn ich durch die lauten Straßen  geh, und auch unter den Leuten such ich vergebens dein Gesicht, wenn ich dann in der fremden Menge steh. Warst du vielleicht in den abgelaufenen Kalendern und ich hab dich getötet, Blatt für Blatt? Bist du umwunden im Frühling mit bunten Bändern und im Winter wie das Eis, kalt und gefährlich glatt? Bricht der Lenz dich knackend auf, wie die klebrigen Spitzen der Kastanien, ziehst du leise wie die Nacht herauf, oder mit lauten Sprüngen, wie die Kastagnetten in Spanien? Mit grauem Einband das Buch, das vor mir liegt. Stehst du auf seinen Seiten, von mir ungelesen? Wie ein Stundenglas uns die Zeit abwiegt, ist der stete Fluß dein Wesen? Auch im goldnen Sonnenschein hab ich dich vermutet, der uns wärmt und das weite Land beleuchtet,  auch im klaren Regen, der aus den Wolken blutet, unsere Sinne wäscht und die grünen Felder befeuchtet. Fliegst du mit dem Vogel hoch in der Luft, oder bist du eine von tausend Blumen auf der Wiese, die alles verzaubert mit ihrem berauschenden Duft, oder bist du sogar tausendmal schöner als diese? Ich habe dich angebetet und in einsamen Nächten verflucht, gehaßt und auch wieder von Herzen geliebt, habe dich wie die Pest gemieden und sehnsuchtsvoll gesucht, habe dich jetzt in allem gefunden,  was mich umgibt!


Rostock, Dez. 1978
(06. Mai 2011)



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