kaputte Gedichte - Abstrakte Irrwege

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Warten auf Michel


Sein Name zierte seit Tagen schon das gestrige Kalenderblatt. Mit klopfendem Herzen hatte ich ihn darauf geschrieben. Von froher Ungeduld getrieben stellte ich Gläser und Kerzen auf den Tisch, zog die bunte Decke glatt und probierte vor dem Spiegel  den richtigen Ton.
Auf der Straße kamen und gingen die Leute, unter Bäumen, die kurz erst frisch belaubt. Wieder wanderte mein Blick zur Uhr, sie war schon nach halb acht. Ängstlich habe ich gedacht: Warum verspätet er sich nur? Und: Kommt er überhaupt? Doch  er kam und blieb sogar bis heute!
Müde schreib ich jetzt dies Liedchen nieder, denn ohne Schlaf verging zu schnell die Zeit, kaum das sie geboren, starb die schöne Nacht. Wir haben aus der Liebe süßem Kelch getrunken und sind davon berauscht in einen Traum gesunken, in dessen  Armen wir heut Morgen erst erwacht. Michel ging fort und ich zur Arbeit, und kehr ich heut abend heim, dann wart ich wieder.

Rostock, Juli 1979
(06. Mai 2011)



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