kaputte Gedichte - Abstrakte Irrwege

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Knaben wollen neues Spielzeug haben


Kaum ein Lichtstrahl fällt in diese Ecke, in die du mich hineingestoßen. Von meinem verstaubten Platz aus schau ich zu dir hinüber, sehe, wie du, die Beine baumelnd, dort auf deinem Bettchen sitzt und voller Sehnsucht vor dich niederblickst,  schluchzend, mit dicken Kullertränen auf den Wangen: Trauerst noch dem Teddy nach, den du gefunden, er war so neu und kuschlig. Hieltest ihn ganz fest in deinen Armen, als du ihn heimlich brachtest mit nach Haus. Wie Sterne leuchteten da deine Augen  und rasend schnell schlug da dein kleines Herz. Nahmst ihn mit zu dir ins Bettchen, auf meinem Kissen durfte er ruhen. Leise strichen deine Finger ihm durchs Fell, welch ein Spaß, wenn er dann brummte. Ihn fest an deine Brust gedrückt, schliefst  du ein zu süßen Träumen. Morgens dann, wenn die ersten Sonnenstrahlen ins Fenster huschten, wecktest du ihn mit munteren Küssen. Mir brach es das Herz, auch ich hab eines, wenn ich sah, wie du dich an ihn erfreutest. Nie sah ich dich glücklicher,  nie deine Augen leuchtender, außer, als du mich bekamst, lang, lang ist es her. In jenen Tagen war ich dein bester Freund, hast mich in deinen Armen gehalten und verwöhnt mit kindlichen Küssen. Ich war dir Begleiter in den ersten Kinderjahren,  Vertrauter dann deiner ersten Geheimnisse und wie oft kamst du zu mir mit blutenden Knien. Dann spendete ich dir Trost, wenn aus deinen Augen, wie auch jetzt, ein Strom von bitteren Tränen quoll. Heute lieg ich, von dir vergessen, in dieser Ecke, altes  Spielzeug nur bin ich dir: nicht mehr zu gebrauchen. Hier erträumte ich mir den grauen Himmel wieder wolkenfrei. Was hätt ich nicht alles hingegeben für ein paar wärmende Sonnenstrahlen. Ach, könnt ich doch hinaus in den schönen Garten,  wo eine lustige Kinderschar so oft gelärmt. Vielleicht würde ich einen neuen Freund dort finden, der mich, wie einst du, lieb in seine Arme nimmt. Aber dein Glück war nur wenige Tage so groß: Man nahm ihn dir fort, weil er nicht dir gehört.  Noch immer sitzt du da drüben auf deinem Bettchen mit kummerschwerem Gesicht, rollen Tränen bergab. Jetzt wagst du einen verstohlenen Blick herüber in mein dunkles Eck. Beschämt schlägst du die Augen nieder, denn jetzt erinnerst du dich  wieder.

Rostock, 23. Aug. 1982
(04. Juli 2011)



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