kaputte Gedichte - Abstrakte Irrwege

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Wodka-Bitter-Lemon


Charlie bringt Wodka-Bitter-Lemon auf chromglitzerndem Tablett für den ganzen Tisch. Gläser klingen auf fremdes Glück, meines will ich vergessen. Kerzenschein und rotes Licht von der Bar liegt in meinem Glas und auf meinem Gesicht. Von den verrauchten  Wänden klingt leise die Musik. Mit schwarzen Locken und feuchten Augen sitzt am Nebentisch ein hübscher Typ, ein Foto in den Händen. Er schaut herüber, schon hebe ich mein leeres Glas. „He Charlie, zwei Wodka-Bitter-Lemon für uns."  Mit gesenktem Kopf sitze ich schweigend an seiner Seite.

„Erzähl nur ruhig weiter, ich hör dir gerne zu." Sein Herz weint und sein Mund spricht von bitterem Leid. Ich aber denk dabei nur an dich, an meine Schuld, hab dich verlassen. „Noch zwei Wodka-Bitter-Lemon." Seine Geschichte ist schnell  erzählt. Das Foto entgleitet seinen Fingern, ganz zerknittert. Charlie stellt ein Glas darauf. „Zahlen bitte!" Ich lege meine Hand auf seinen Arm. „Sieh dich um, mein Freund, du bist nicht allein auf dieser Welt." Eine Träne rinnt mir ins Gesicht.

„Nein, ich weine nicht. Der Rauch beißt mir in die Augen! Mach‘s gut, mein fremder Freund." Naßkalt schlägt mir die Nacht entgegen. Reklame leuchtet in bunten Lichterschlangen. Den Kragen hoch und mit schnellen Schritten, komme ich zurück zu dir. Ich hoffe, du öffnest mir und hast für mich noch einen letzten Wodka-Bitter-Lemon.


Leipzig, Nov.1976
(Rostock, 15. April 2011)


04 - 06

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