Tagebuch einer Schlange / 6. Eintrag - Abstrakte Irrwege

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Tagebuch einer Schlange / 6. Eintrag

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Sonntag, 25. Juli 1982

Scheiße, Scheiße und nochmals Scheiße!!
Die dauerhafte Freundschaft und echte Liebe, von mir immer erträumt, ist mit dem heutigen Tag mit Sicherheit vorbei. Ausgeträumt. Schade. Ich könnte heulen. Meine Tränendrüsen machen aber leider nicht mit. Vielleicht wurden sie überstrapaziert. Sind kaputt. Früher haben sie funktioniert.
Wenn ich über die zwei Jahre, zwei Jahre und einige Monate, nachdenke, so waren es doch eigentlich zwei schöne Jahre. Die kleinen Krisen mit eingeschlossen. Und sie hatten einen sehr schönen Urlaub als Abschluss.
Andere hatten mir schon früher glaubhaft zu versichern versucht, dass es eine dauerhafte Partnerschaft zwischen zwei Männern nicht gibt. Ich wollte das immer nicht glauben. Meine bisherigen Versuche würden das allerdings bestätigen. Ich hatte immer den festen Vorsatz, treu zu sein. Muss aber zugeben, dass ich es nicht immer war. Habe aber alle Seitensprünge schnell vergessen. Im Prinzip war ich doch treu. Glaube ich. Ich musste vorhin zum Goldbrand greifen. Das heißt, gemusst hatte ich eigentlich nicht. Hab es aber doch getan. Und nun habe ich meine Gedanken und den Kugelschreiber nicht mehr so richtig im Griff. Aus dem Radio quäkt fürchterliche Musik. Kann mich aber nicht aufraffen, sie auszuschalten.
Es ist jetzt 21.00 Uhr. Vor einer Viertelstunde sind sie beide gegangen.
Angefangen hat es gestern. Ich hatte es nicht erwartet. Es ist der Junge, der gestern mit uns zusammen vom Strand heimfuhr. Bemerkbar machte er sich durch seine spielerische Fahrweise. Erst blieb er mit seinem Rad dicht hinter uns. Dann hielt er sich auf gleicher Höhe. Sprintete vor und ließ sich wieder zurückfalle. Natürlich hatten wir ihn bereits am Strand bemerkt. Er war von einer natürlichen Schönheit, die unsereiner nicht übersehen kann. In Gedanken sah ich ihn in meinem Bett liegen. Und der Gedanke war gar nicht mal so falsch. Nur, dass ich nicht mit drin lag. Meine einunddreißig machen sich doch bemerkbar. Der Schönste bin ich auch nicht mehr. Teufel noch eins! Bei der gestrigen Heimfahrt hatte er mich zwar bemerkt, aber sein Interesse galt eindeutig Jonas. Jetzt weiß ich, dass er Andreas heißt. Er war auch heute wieder am Strand. Und sein Interesse hatte leider nicht die Richtung gewechselt. Als ich hinter der Uferböschung den Weg hochging, wartete er nur meine Abwesenheit ab, um sich ungehindert zu Jonas zu gesellen. Nach meinem kurzen Spaziergang passte mich Jonas ab. Nur, um mir zu verstehen zu geben, dass ich noch nicht zu unserem Platz zurückkehren solle. Die Zeit, die ich den Weg auf und ab ging, kam mir wie Stunden vor. Konnte nicht anders, als beide hin und wieder heimlich zu beobachten. Wusste zwar, dass dort nichts passieren konnte, der Zwang war einfach zu groß. Dann kamen beide auf den Weg. Jonas warf mir scheinheilig vor, zu lange weggeblieben zu sein. Wenn eine Palme in der Nähe gewesen wäre, ich wäre hinaufgestiegen. Stattdessen schlug ich vor, dass der Junge mit zum Tee nach Hause kommen könne. Könnte mich jetzt dafür in den Arsch beißen. Nun gut, ich weiß jetzt, wie Andreas unten herum beschaffen ist. Erhielt sogar Gelegenheit, sein Prachtexemplar zu berühren. Im Großen Ganzen war ich aber überflüssig.
Andreas behauptet, es sei für ihn das erste Mal. Ob’s stimmt? Pech für alle diejenigen, die ihn bisher verpasst haben. Schade, dass er jetzt auf Jonas fixiert ist. Und das es mein Ende ist. Dumm nur, das Jonas mich trotzdem noch braucht. Er hat nämlich noch immer keine eigene Wohnung. Zu seiner Mutter kann er Andreas schlecht mitnehmen. Das macht die Liebe nicht unkompliziert. Wieder wird er auf meine Wohnung zurückgreifen wollen. Es wird sein Glück sein. Und mein Tod. Denn zusehen kann ich den beiden auf keinen Fall.
An den Tod habe ich noch nie gedacht. Allerdings habe ich Angst vor dem Tod. Er ist so kalt und glitschig. Im Moment wüsste ich auch gar nicht, wie ich ihn rufen sollte. Meine Eltern täten mir leid. Wenn ich aber nicht schnellstens Ersatz finde, dann weiß ich nicht … Kay wäre eine Option, aber nicht immer greifbar.
Das Schlimmste ist, dass ich Jonas nicht einmal böse sein kann. Auch ich wäre ohne zu zögern mit Andreas ins Bett gegangen. Das tue ich jetzt. Aber allein. Wenn ich morgen aufwache, ist vielleicht alles nur ein Traum gewesen. Aber wohl eher nicht.
Es ist eben alles Scheiße!

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