Tagebuch einer Schlange /8. Eintrag - Abstrakte Irrwege

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Tagebuch einer Schlange /8. Eintrag

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Dienstag, d. 3. Aug. 82

Ist nur noch ein ganz leichter Schmerz. Es wird wohl rauseitern, was da noch drin ist: Habe mir heute am Strand einen Dorn in den rechten Fuß eingetreten.
Gerade hab ich probehalber ein halbes Glas von dem Gothano getrunken, den Helmut aus dem vierten Stock nach dem Abendbrot runterbrachte. Vielleicht hilft es mir beim Einschlafen. Ich hab Angst, vor lauter Grübelei wieder kein Auge zu machen zu können. Über das, was heute vorgefallen ist. Nach dem letzten Schluck bin ich gleich ins Bett gegangen. Um 23.10 Uhr.
Gestern rief eine Frau aus Berlin bei mir an. Vom Sportecho. Die wollen einen Bericht über unsere Radwanderung bringen. Alles gut und schön. Bis Freitag soll aber mein Bericht bei ihr im Briefkasten sei. Nun sitze ich damit an. Eigentlich wollte ich in dieser Woche die Fenster streichen. Bei mir und meiner Nachbarin. Musste ihr nun heute Morgen leider absagen. Jedenfalls für diese Woche. Sagt sie, sie hätte es sowieso erst geglaubt, wenn ich mit dem Pinsel in der Hand vor ihrer Tür stehen würde. Ich hätte ihr eine latschen können. Was denken die sich eigentlich alle? Halten alle bloß die Hand auf.
Schon gestern Abend wegen des blöden Artikels bis um halb elf Dias kopiert. Ist leider nichts Gescheites dabei rausgekommen. Musste heute die ganze Sache wiederholen. Werde es wohl nicht mehr schaffen, in der kurzen Zeit einen Artikel zusammenzuschustern. Werde nur die nackten Fakten zu Papier bringen und zusammen mit dem Film hinschicken. Die Abzüge können die sich selber machen. Und überhaupt, wen interessiert es, wohin unsere BSG-Jungs mit dem Rad geradelt sind. Und was sie nachts im Zelt gemacht haben. Ein wenig Freizeit sollte jeder Mensch haben. Auch ich. Bin deshalb nach der Arbeit noch an den Strand gefahren. Jonas wollte nachkommen. Kam auch.
Am Strand war nichts los. Niemand da, der mein Interesse hätte wecken können. Der geile Sonntagsbursche war auch nirgend zu sehen. Hatte so sehr darauf gehofft. Aber der wird wohl noch keine Ventile für sein Fahrrad bekommen haben. Als Jonas dann bei mir auf der Decke saß und Zeitung las, bin ich hoch zum Weg. Mal sehen, ob sich dort was tat. Nur drei ältere Herren waren zu sehen. Und die verschwanden gerade in der Ferne. Ich ging zu Jonas zurück. Meldete mich bei ihm ab, um den drei Herren nachzusteigen. Hab sie aber nicht wiedergefunden. Als ich zu meiner Decke zurückkam, war Jonas verschwunden. Am Strand und im Wasser war er nicht zu entdecken. Ich also wieder hoch zum Weg. In dem Moment kam er angelaufen. Ich sah schon von weitem, dass der Kessel überhitzt war, denn aus jeder Ritze zischte der Dampf. Ich kann von Glück reden, dass er mich nicht niedergewalzt hat. Er fuhr mich aber an, wie einen kleinen dummen Jungen, der die Milch verschüttet hat. Wo ich mich solange rumgetrieben habe. Und so. Es war bestimmt nicht solange, dass es dieser Aufregung bedurft hätte. Zumal ich auf weiter Flur alleine war. Als er sich mit Andreas angefreundet hatte, da durfte ich bestimmt eine geschlagene Stunde den blöden Weg hoch und runter marschieren, bis mir die Füße wehtaten. Die Sache war mir einfach zu dumm. Hab mich angezogen und bin nach Hause gefahren. Als hätte er seinen Auftritt vergessen, fragte Jonas, warum ich schon nach Hause will? Habe eine Verabredung, gab ich zur Antwort. Er ist dann dort geblieben.
Saß gerade beim Abendbrot essen, da kam Jonas hier an. Wohl um nachzusehen, mit wem ich mich verabredet hatte. Den angebotenen Tee nahm er zwar an, fragte aber provozierend, ob der den jetzt bezahlen müsse. Dazu aß er ein von ihm mitgebrachtes trockenes Brötchen! Versöhnlich stellte ich ihm ein Eis hin. Dann sagte ich zu ihm, dass er endlich mit seinem Hintern hochkommen solle. Er hatte sich aus Gnatz auf meine Sachen gesetzt, statt sie vorher vom Sessel zu nehmen, was ihm bestimmt nicht schwergefallen wäre. Diese Aufforderung schmeckte ihm nicht. Und das Eis auch nicht mehr. Er stellte es zurück in den Kühlschrank, immerhin, schnappte sich seinen Beutel und verließ ohne Gruß meine Wohnung.
Bin gespannt, wann er hier wieder auftaucht. Eigentlich war das für morgen vorgesehen. Warum ist er so schlechter Laune? Ich kann mir nur eine Erklärung denken. Sein Verhältnis zu Andreas, das genaugenommen noch gar keines war, scheint schon wieder zu bröckeln. Wo er es sich doch so schön ausgemalt hatte.
Jonas verabredet sich mit Andreas. Wie zum Beispiel zu gestern. Befrage ich ihn vorher dazu, behauptet Jonas, sie hätten nichts abgemacht. Ich hab ihn der Lüge bezichtigt. Das war natürlich auch wieder nicht richtig. Bleibe ich ein paar Minuten zu lange auf dem Weg hinter dem Strand, und bin dabei nicht immer zu sehen, dann habe ich Dreck am Stecken, wie er meinte. Schafft er sich nebenher einen Geliebten an, dann ist das voll in Ordnung.
Das ist alles Kacke!

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