Tagebuch einer Schlange / 9. Eintrag - Abstrakte Irrwege

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Tagebuch einer Schlange / 9. Eintrag

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Mittwoch, d. 11. Aug. 1982

War heute schon 14.30 Uhr zu Hause. Hier in Lichtenhagen sah das Wetter eigentlich ganz gut aus. Es ging ein bisschen Wind. Darum beschloss ich, an den Strand zu fahren. Dort war es dann aber zu windig. Hielt es nur bis kurz nach 16 Uhr aus. Loss war auch nichts. Also fuhr ich zurück.
Zum Abendbrot Eierkuchen gemacht. Ein paar zu viel, wie ich feststellen musste, als ich sie alle aufgegessen hatte.
Andreas war inzwischen schon einige Male hier. Zuletzt Freitag. Er kam erst gegen 20.30 Uhr. Jonas war schon ganz traurig, hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Und dann Sonnabend.
Wir hatten am Freitag mit ihm ausgemacht, dass er am folgenden Abend um 20 Uhr wiederkommen solle. Dann wollte ich ihn fotografieren. Andreas war damit einverstanden.
Sonnabend gab es dann beim Abendbrot mal wieder einen kleinen Streit. Jonas meldete seine Rechte auf die zu erwartenden Negative an. Das sah ich naturgemäß ganz anders. Gut, sagte ich, dann lassen wir das mit dem Fotografieren ganz. Kurz vor 20 Uhr bereiteten wir aber doch alles vor. Jonas war nämlich genau so scharf auf die Bilder wie ich. Andreas kam aber nicht. Sicher hatte das Motiv kalte Füße bekommen. Die Sache fiel also von selbst ins Wasser. Jonas fand sich ziemlich rasch damit ab. Das machte mich misstrauisch. Trotzdem war nicht viel mit ihm anzufangen. Verständlicherweise.
Nach 22 Uhr klingelte es zaghaft. Wir lagen beide schon im Bett. Ich öffnete das Fenster. Unten vor der Haustür stand niemand. Zog mir eine Hose über und ging zur Wohnungstür. Auch dort niemand. Inzwischen war Jonas zum Fenster gegangen. Er pfiff Andreas hinterher, der gerade wieder gehen wollte.
Andreas erzählte, dass er von einer Party käme. Bei der Freundin seiner Schwester. Er habe eine Pause zum Abhauen genutzt. Und dass er momentan unter entsetzlichem Stress stehe. Den er aber nicht näher beschrieb. Jedenfalls hatte der ihn nicht davon abgehalten, noch so spät mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu uns nach Lichtenhagen zu fahren. Andreas wollte also noch was erleben. Das boten wir ihm gern. Umständehalber beide!! Leider hatte sein Schwips nicht nur sein Hirn umnebelt, sondern auch seine Potenz. Währen er sich Pornos ansah, gaben wir unser Bestes. Lange Zeit blieb der sichtbare Erfolg aus. Wir hatten dafür extra seinen Bauch freigeräumt. Andreas kann es sich leisten, abwesend zu sein. Mit seiner Jugend und dem Glücklichmacher. Jonas versuchte sogar, uns eine Weile allein zu lassen. Leider gelang es ihm nicht. Es quält eben doch ganz fürchterlich, den anderen beschäftigt zu wissen.
Jonas bildet sich ein, irgendein Recht an Andreas zu haben. Als hätte er sämtliche Anteilsscheine erworben. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht weil er der Erste war, mit dem Andreas im Bett lag. Wie der behauptet. Glaube nicht, dass Andreas auf Jonas angewiesen ist. Na, auf mich schon gar nicht. Bei der geilen Figur und dem Apparat! Das ist kein Apparat, das ist eine Maschine! Und dass er nicht gewillt ist, nur mit Jonas ins Bett zu steigen, beweist seine ständige Suche. Jonas weiß das. Und das ist es, was Jonas so zu schaffen macht. Er liebt ihn. Leider. Und ist darum eifersüchtig auf jeden, der Andreas anspricht. Auf jeden Schritt, den Andreas auf dem Weg hinter dem Strand unbeobachtet tut.
Ich weiß noch nicht, wie diese Sache enden wird. Schätze, Andreas wird bald genug haben von ihm. Einen anderen finden. Und dann noch einen. Und dann noch einen …
Warum auch soll er sich nicht austoben dürfen. Habe es selbst auch so getan. Und das war gut so.

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