kaputte Gedichte - Abstrakte Irrwege

Direkt zum Seiteninhalt

kaputte Gedichte

Texte > kaputte Gedichte

Frühlingsmorgen


Seidiger Nebel steigt aus dem Flußbett und vermählt sich mit dem erwachenden Licht, das mit Purpur überzieht sein graues Gesicht, windumworben, runzlig, rau und fett. Der Vöglein Zwitschern besiegt lieblich die schwindende Nacht. Die Sonne leckt von feurigen Blättern glasklaren Tau. Verschlafene Äuglein blinzeln keck aus ihrem Bau und schauen zu, wie ringsum die Welt erwacht. Optimistisch die Spinne beginnt ihr Netz zu flicken. Und schon sieht die junge Fliege mit Bangen sich in einem Perlenfiligran hoffnungslos gefangen und im Todeskampf sich immer mehr verstricken. Die Gräser föhnt und kämmt der frische Wind, legt dem Teich zum Schmucke eine blaue Wasserwelle, kehrt den Staub von des Tages neuer Schwelle und begrüßt mit Händeklatschen der Woche jüngstes Kind. Mit Riesenschritten kommt die Sonne über den Berg gestiegen, umarmt die bunte Wiese und den stillen Teich und weckt mit ihren goldenen Strahlen, sanft und weich, Möwen und zauberhafte Rosen, die  sich noch im Schlafe wiegen. Blütenkelche öffnen sich, duftig frisch und weit, wollen empfangen tausend Gäste zu ihrem Mahle, an süßgedeckten Nektartischen in einem festlichen Saale, sie zu bewirten in sonniger Frühjahrszeit. Ein Käfer,  zierlich klein, mit schwarzen Punkten auf rotem Grunde, sich lachend den letzten Schlaf aus den Augen wischt, krabbelt dem Frühstück entgegen, das man ihm aufgetischt, und beginnt sein Tagewerk frohgelaunt zu früher Stunde. Eine gebänderte Schnecke kriecht bedächtig zu neuen Taten. Unaufhaltsam kriecht sie in den Tag hinein, doch wird sie nach endloser Wanderung am Abend nicht viel weiter sein. Sie ist doch zufrieden, wenn wir sie nicht mit dem Fuß zertraten. An einem Frühlingsmorgen  reges Leben erwacht, Schöpfung im Licht der Sonne entsteht. Das alles seinen blinden Augen entgeht, weil der Mensch nur an zerstören gedacht!

Rostock, Feb. 1977
(03. Mai 2011)



20 - 22


Zurück zum Seiteninhalt