Tagebuch einer Schlange / 30. Eintrag
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Sonnabend, d. 14.04.84, 9.50 Uhr
Bin gerade damit fertig geworden, in meiner Bude Klarschiff zu machen. Die Dunkelkammerutensilien, die gestern Abend stehengeblieben waren, sind auch weggeräumt. Jonas wollte für sich und Andreas eine Kollektion der schönsten Fotos aus meiner Sammlung haben. Er hatte mich schon längere Zeit dazu gedrängt. Ich nehme an, dass er sie heute Abend präsentieren möchte. Er hofft auf Andreas‘ Besuch. Ob der am vergangenen Sonnabend wirklich erschienen ist, wie er versprochen hatte, weiß ich nicht. Am Tag darauf war Jonas äußerst schlechter Laune. Daraus könnte ich schließen, dass Andreas nicht gekommen war. Um dahinter zu kommen, machte ich verschiedene Andeutungen. Wurde aber aus Jonas‘ Reaktion darauf nicht schlau. Er hat mich bis zum heutigen Tag darüber im Ungewissen gelassen. Als er vorgestern in der Wanne saß, hatte ich darum einen kurzen Blick in seinen Taschenkalender gewagt. Ohne Ergebnis. Seine Eintragungen enden am 24. März. Was natürlich dumm ist.
Gleich nach Feierabend hatte ich gestern das Bad in ein Entwicklungslabor und den Korridor in ein Belichtungsstudio umgerüstet. Bin dann kurz zum Abendessen zu Jonas und anschließend mit ihm zurück. Jonas traf die Auswahl der Bilder und belichtete die Fotopapiere. Ich hatte das Entwickeln übernommen.
20.30 Uhr kam Klaus. Borgte sich für die Berlinfahrt eine Luftmatratze aus. Da ich wusste, dass er kommen würde, lag das Ding griffbereit. Die Unterbrechung unserer Arbeit dauerte keine Minute. Wie es immer ist, wenn man sich was vornimmt, so ließ auch diesmal die nächste Störung nicht lange auf sich warten. Denn eine halbe Stunde später klingelte Kay. Er wollte mir mitteilen, dass auch er mit nach Berlin fahren will. Ich schickte ihn zusammen mit einer Flasche Limo in die Stube, wo er warten sollte. Wir nahmen unsere Arbeit wieder auf. Und während Kay in der Stube die Zeitung las, besprach ich mit Jonas den weiteren Ablauf des Abends. Und genauso, wie ich es vorgeschlagen hatte, lief alles weitere ab. Wie erwartet hatte Jonas sein anfängliches Sträube rasch aufgegeben. Ich unterbrach also das Entwickeln für eine kurze Unterredung mit Kay über Berlin. Nach wenigen Augenblicken gesellte sich Jonas dazu. Daraufhin ging ich zurück ins Bad und nahm meine Arbeit wieder auf. Natürlich ohne recht bei der Sache zu sein. Es dauerte nicht lange, da rüsteten sich beide zum Aufbruch.
21.50 Uhr gingen beide von hier los. Ohne Widerspruch ging Kay mit zu Jonas, obwohl er vorher noch behauptet hatte, dass er um vier Uhr schon wieder aufstehen müsse. Diesmal hatte Jonas die Übergardinen zugezogen! Ich habe hier noch bis 23.45 Uhr weitergemacht.
Vorhin war Jonas hier. Hat sich die nassen Fotos und die Trockenpresse geholt. Er will sie tatsächlich noch zu heute Abend fertig haben! Ich werde dann wohl wieder ins Kino müssen.
Warum lege ich ihm Kay ins Bett? Nun schon zum zweiten Mal. Ich hatte zwar zu Jonas gesagt, Kay würde mich jetzt nicht mehr interessieren, nachdem er mit ihm rumgemacht habe, das stimmt aber nicht. Nun, da die Sache einmal passiert und nicht mehr rückgängig zu machen ist, fällt es mir etwas leichter, auf Kay zu verzichten. Will nicht sagen, dass ich ihn schon bis zur Neige ausgekostet hätte. Werde noch immer nervös, wenn ich die beiden zusammen weiß. Im Gegensatz zu mir hat Jonas in seinem Leben noch nicht viel erlebt. Ich meine im Zusammenhang mit dem starken Geschlecht. Es wäre besser gewesen, er hätte die Gelegenheit gehabt, sich vor unserem Kennenlernen auszutoben. Weil es aber nicht so ist, gönne ich ihm die schönste Sache der Welt. Jedenfalls ein bisschen.
In erster Linie tue ich es aber wohl aus rein taktischen Überlegungen heraus. Fürchte ich.