Tagebuch einer Schlange / 36. Eintrag - Abstrakte Irrwege

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Tagebuch einer Schlange / 36. Eintrag

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Dienstag, d. 05.06.84

Wenige Minuten nach meinem Fortgehen sei Kay gekommen um seine fertige Arbeit abzuholen. Und er habe sich auch nur ein paar Minuten aufgehalten. So sagte es Jonas jedenfalls. Ich hatte mich mit dem Fernglas bewaffnet und dann von meinem Fenster aus Jonas‘ Haustür unter visueller Beobachtung genommen. Und da ich Kay weder kommen noch gehen gesehen hatte, wird wohl stimmen, was Jonas gesagt hatte.
Letzten Freitag habe ich sehr früh Feierabend gemacht. Mit der Absicht, noch ausgiebig an den Strand fahren zu können. Dann sah es aber nach Regen aus und es wurde nichts daraus. Moment mal! Ich glaube, das ist Quatsch! Der verregnete Freitag war eine Woche davor. War also doch zum Strand. Muss jetzt mal scharf überlegen, ob da was los war. Ich glaube, nicht. Wenn doch, dann könnte ich mich besser daran erinnern.
Sonnabend vor einer Woche sind Jonas und ich schon um fünf Uhr morgens aufgestanden. Sind mit den Rädern ins Torfbrücker Revier gefahren. Haben mit Schablone, Farbe und Pinsel den dortigen Wanderweg neu markiert. Jonas hatte mir ganz uneigennützig seine Hilfe angedeihen lassen. Denn sonst hätte ich einen jungen Sportfreund aus der Sektion darum bitten müssen. Das wollte er vermeiden. Denn dann käme mit Sicherheit nichts Gescheites dabei heraus, meinte er. Die meiste Zeit war das Wetter wunderschön. Nur nachmittags hatte es hin und wieder leicht geregnet.
Vor zwei Tagen, also am Sonntag, waren wir wieder am Strand. Auf dem Weg dorthin rückte Jonas damit heraus, dass Hagen am Sonnabendnachmittag (19. Mai, das Wochenende war ich auf Rügen) für ca. eine Stunde bei ihm zu Hause war. Es sei aber nichts passiert. Was ich nicht glaube. Das heißt, ich glaube nicht, dass Hagen überhaupt da war. Es war gut auszuhalten am Strand. Nicht nur des Wetters wegen. Vom oberen Rand der Steilküste aus beobachtete ich drei Jungs, die unten im Sand lagen und zum Teil mit ihren Schwänzen spielten. Jonas lachte sich derweil einen Berliner an. Der Klaus heißt, wie er mir später anvertraute. Nachdem die Jungs die Lust an ihrem Spiel verloren, sich angekleidet und verdünnisiert hatten, hatte ich auch noch die Gelegenheit mit anzusehen, welche Spielchen Jonas und Klaus miteinander trieben. Heimlich, versteht sich.
Heute Abend wollte mir Jonas weißmachen, dass Pfeife und Herdloch brennen. Wenn er mit wildfremden Männern rumludert, braucht er mir nicht hinterher mit „Brennen“ kommen. Als wir Sonntag vom Strand nach Hause fuhren, machte er noch einen sehr vergnügten Eindruck.
Gestern brütete die Sonne. Telefonisch verabredeten wir, uns gleich nach Feierabend am Strand zu treffen. Jonas konnte gleich von der Arbeit aus mit dem Rad dorthin fahren. Ich stieß etwas später dazu, weil ich erst nach Hause musste, um meins zu holen. Das schöne Wetter wollten wir unbedingt ausnutzen. Auch die drei Jungs vom Vortag waren wieder Vorort. Lagen an derselben Stelle und hatten sogar noch einen Vierten davon überzeugen können, wieviel Spaß es mache, alte Kerle anzuheizen. Denn sie wussten ganz genau, dass sie nie ohne Publikum spielten. Allerdings mussten sie zwischendurch und am Schluss auf den Applaus verzichten. Am Sonntag hatten sich nur zwei Jungs ausgezogen. Glaube, ich hatte bisher noch nie erwähnt, dass der Strand dort und überall offiziell als FKK-Strand ausgeschildert ist. Der Knabe, der Sonntag seine Klamotten anbehalten hatte, ausgerechnet der hübscheste, war diesmal auch nackt. Hatte aber wenigstens die überdimensionierte Sonnenbrille nicht abgelegt. Um sich dahinter zu verstecken. Ansonsten war alles an ihm vorzeigbar. Sein Schwanz hat dasselbe Riesenformat wie der von Andreas. Sie trieben ihr Spiel solange bis ihnen die Arme erlahmten. Gönnten sich eine kleine Verschnaufpause, um es dann unvermindert fortzuführen. Bis dreien der Saft auslief. Die zogen sich dann an und kraxelten die lehmige Steilküste hinauf. Genau dort, wo ich stand. Übers ganze Gesicht grinsend und feixend nahmen sie sich ihre Räder, die solange an den Sträuchern lehnten, und radelten gemächlich davon. Denn einer fehlte ja noch. Die Sonnenbrille lag noch immer im Sand und mühte sich redlich. Dann endlich drehte sich der Junge auf die Seite und befruchtete mit seinen Samen den heißen Sand. Erst dann stand er auf. Warf mir einen fragenden Blick zu und zog sich an. Auch er erklomm den Hang. Wobei ich ihm für den letzten Meter hilfreich meine Hand hinhielt. Er griff zu und war oben. Bevor auch er sein Rad bestieg, sahen wir uns drei Sekunden lang tief in die Augen. Dann war er fort. Ich bedauere es zutiefst, ihn nicht angesprochen zu haben. Als Leibsklave hätte er eine ganze Stange Gold gekostet.
Jonas hatte kein Glück. Es gab wohl zwei lohnenswerte Fische, nach denen er seine Rute auswarf, aber beide bissen nicht an. Zu guter Letzt tauchte auch noch Andreas auf. Mir kann er nicht weißmachen, dass er eine Freundin hat! Ist dann mit uns zusammen nach Hause gefahren. Kam aber nicht mit rein. Was Jonas den ganzen Abend über traurig stimmte.

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