Tagebuch einer Schlange / 37. Eintrag - Abstrakte Irrwege

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Tagebuch einer Schlange / 37. Eintrag

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Donnerstag, d. 20.09.84

Seit meinem letzten Eintrag sind sage und schreibe fünfzehn Wochen vergangen, in denen mein Tagebuch keine frische Luft bekommen hat. Wenn ich mich nicht verzählt habe. Fünfzehn Wochen können eine lange Zeit sein. Im Nachhinein betrachtet war sie für mich aber nur ein kurzer Augenblick. In dem aber so einiges geschehen ist. Wird mir sicher schwerfallen, das jetzt auf die richtige Reihe zu bringen. Mal sehen, was meine Erinnerung noch hergibt.
Die letzten Tage des Junis verbrachte ich in Reichenbach. Wie auch schon vor zwei Jahren war ich zusammen mit Sportfreunden der BSG-Leitung zu einem Freundschaftstreffen mit der dortigen TSG Blau-Weiß. Die Bahnfahrten empfand ich als sehr strapaziös. Das stundenlange Geschaukel ging mir gehörig auf den Keks. Ich denke heute schon mit Grauen an den kommenden Montag, wenn ich nach Magdeburg muss. Der Aufenthalt in Reichenbauch selbst hat mir aber gut gefalle. Hatte wieder mein eigenes Zimmer. Weiß aber nicht, ob es dasselbe war. Es ergab sich aber keine Gelegenheit, in der es sich als Vorteil erwiesen hätte.
Wind und Wetter haben in diesem Sommer mit uns gehadert. Haben die Sonne daran gehindert, ihr gutes Werk zu tun. Wir waren ständig auf dem Sprung, um jeden Sonnenstrahl auszukosten, der den Strand traf. Ganze Wochenenden, an denen die Sonne schien, waren rar gesät. Dort am Strand trafen wir vielleicht noch ein oder zweimal auf Hagen. Bei der letzten Begegnung, wir hatten ihn auf unsere Decke eingeladen, konnten wir ihn sogar nackt erleben. Jonas und ich waren sehr angetan von seiner Figur. Ich bekam jedes Mal eine Erektion, wenn ich verstohlen auf seine Schamgegend sah. Dummerweise klemmte Hagen sein Glied immer dann zwischen die Schenkel, wenn es Anstalten machte, sich zu erheben. Während ich einen Strandspaziergang machte, wagte Jonas einen zarten Annäherungsversuch. Hagen ging aber nicht darauf ein. Seither haben wir ihn nicht wiedergesehen.
Natürlich trieb sich auch Andreas, der ja angeblich eine Freundin hat, am Schwulenstrand herum. Wir sahen ihn des Öfteren. So auch am zehnten Juli. Laut Kalender ein Dienstag. Jonas und ich waren nach Feierabend hingefahren. Weil oben keine freie Stelle zu finden war, blieben wir ziemlich weit vorn am Strand. Dicht bei den Familien. Aber auch dort hatten wir eine interessante Nachbarschaft. Bestehend aus einem noch nie gesehenen jungen Mann mit brauner Hautfarbe. Jonas nahm sogleich Kontakt mit ihm auf. Was der Knabe freudig zu begrüßen schien. Weil es nicht meine Sache ist, hoch intellektuelle Gespräche zu führen, ging ich zum Küstenweg hoch, um das rote Fahrrad zu beobachten, das sich in recht auffallender Weise hoch und runter bewegte. Dabei begegnete ich Andreas, der sich in ähnlicher Weise den Weg hoch und runter bewegte. In einem Gespräch bot ich ihm an, am Abend zu mir zu kommen, wenn er dazu Lust und Laune habe. Ich erwarte zwar zu acht Uhr Besuch, von dem er sich aber nicht stören lassen solle. Später ließ ich dann Jonas mit seiner Nachbarschaft, mit der er sich inzwischen ganz gut angefreundet hatte, allein am Strand zurück. Ich wollte zu Hause noch Abendbrot essen, bevor Jürgen Winter zur Besprechung kommen würde. Der kam natürlich verspätet. Was ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Wir hatten aber das Wesentlichste besprochen, als Andreas klingelte. Jürgen hielt sich dann nicht länger auf als nötig und ging. Mit Andreas hab ich dann stundenlang gequatscht. Über alles Mögliche. An Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern. Es war nach dreiundzwanzig Uhr, ich fragte mich schon, wie lange er noch bleiben wolle, als er mit der Bitte rausrückte, sich noch einmal die Pornos ansehen zu dürfen. Solange hatte er mit sich gerungen. Gute fünfundvierzig Minuten blätterte er die Seiten hin und her. Wieder und wieder. Währenddessen ich ihm sein steifes Glied massierte. Mir wurde langsam der Arm lahm. Am Ende konnte er es nicht mehr zurückhalten. Ich hatte ihm vorsorglich eine große weiße Kriepa-Serviette auf den nackten Bauch gelegt. Aber er schoss mit einem Stoßseufzer weit darüber hinaus. Als er danach ging, nahm er zwei Schachteln mit Fotos mit, die er in der kommenden Woche zurückbringen wolle.
Falsch! Die Fotos nahm er erst vier Wochen später mit. Dazu komme ich dann noch. Wenn ich es nicht vergesse.
Am 14. Juli schifften wir uns in Stralsund auf einem Fahrgastschiff der Weißen Flotte nach Hiddensee ein. Waren insgesamt neun Personen. Ein Kollege und eine Kollegin von mir zusammen mit ihren Familien. Und natürlich Jonas. Während der Überfahrt hatte es anfangs geregnet. Aber dann wurde das Wetter wunderschön. Bis hin zum Abend. Die meisten Leute unserer kleinen Reisegruppe erlebten Hiddensee zum ersten Mal. So auch ich. Hiddensee soll einen ganz eigenen und besonderen Reiz ausstrahlen. Heißt es. Vielleicht muss man diese Insel öfter oder länger besuchen, um diesen Reiz zu entdecken. Ich habe ihn jedenfalls nicht gespürt. Eigentlich ist für mich jede neu erlebte Landschaft reizvoll. Hiddensee ist deswegen für mich nicht mehr als jedes andere Fleckchen Erde. Dort möchte ich noch keinen Urlaub machen. Dafür fühle ich noch zu jung. Für unseren großen Chef mag es durchaus das Richtige sein. Er hat dort eine ganze Woche zugebracht.
Hiddensee war Sonnabend. Vierzehnter Juli. Jonas und ich hatten drei Wochen Urlaub vor uns. In zermürbender Kleinarbeit redlich verdient. Und Hiddensee war unsere erste gemeinsame Unternehmung in diesem Urlaub. Am Montag darauf waren wir bei Detlef zu Gast, um seine neue Wohnung zu besichtigen. Er war zwar noch recht spartanisch eingerichtet, aber das, was schon in seiner Bude drinstand, haben wir tüchtig eingeweiht. Wir haben uns danach jedenfalls recht fröhlich auf den Heimweg begeben.
Es wurde auch wieder das Thema „Gruppe“ diskutiert. Detlef und ein paar seiner „Gesinnungsgenossen“ planen, einen festen und regelmäßigen Treff einzurichten. Sie haben bereits in vielen Gesprächen mit Entscheidungsträgern die Möglichkeiten dazu ausgelotet. Die „Sache“ läuft wohl darauf hinaus, bei der Evangelischen Kirche angebunden zu werden. Es gibt wohl schon die Zusage, dass wir die Räumlichkeit der Evangelischen Studentengemeinde für unsere Zusammenkünfte nutzen dürfen. Mir sagt das nicht ganz so zu. Jonas und ich sind in der Partei. Aber wenn uns niemand weiter haben will, soll es uns recht sein. Dass die Partei eine Schwulengruppe einrichtet ist kaum denkbar.
Am Dienstag (17. Juli) kam Kay zu mir. Er war mal wieder knapp bei Kasse. Verkaufte mir deshalb ein paar Schallplatten. Habe nicht gefragt, woher er sie hatte. Konnte mich aber nicht lange mit ihm befassen, denn Jonas und ich wollten ins Kino. Kay hatte aber auch keine Zeit. Er wollte an diesem Abend ein Freiluftkonzert irgendeiner hiesigen Gruppe besuchen. Ich lud ihn ein, danach zu Jonas zu kommen, denn dort würden wir dann zu finden sein.
Jonas und ich standen im Vorraum des Kinos und warteten auf den Einlass. Dabei beobachteten wir einen lockigen Jüngling, der gelangweilt an der Wand lehnte und ebenfalls wartete. Irgendwie hatte Jonas es so hingedeichselt, dass ich anschließend neben dem Jungen zu sitzen kam. Da mir der Knabe außerordentlich gefiel, er war genau meine Kragenweite, ließ ich während der Film lief keine Gelegenheit aus, um ihm tief in seine Augen zu sehen. Soweit es das dämmrige Flackerlicht zuließ. Jonas an meiner anderen Seite ganz vergessend, nahm ich mit Knie und Ellenbogen zaghaft Tuchfühlung auf. Zuerst wie aus Versehen, dann aber mit mehr Nachdruck. Der Lockenkopf wich nicht zurück. Nach geraumer Zeit griff er sogar unter seine Jacke, die er auf dem Schoß liegen hatte. Es sah ganz so aus, als wenn er dort etwas zurechtrücken müsse. Als wir das Kino verließen ging er nach rechts. Aber nicht, ohne sich ausgiebig nach uns umzusehen. Unser Weg führte uns leider nach links. Ganz offensichtlich hatte der Lockenkopf darauf gehofft, dass wir ihm folgen. Als er sich nun getäuscht sah, machte er kehrt. Und verschwand nach hundert Metern in einem Hauseingang. Wenn ich allein gewesen wäre, dann brauchte ich mich jetzt nicht über die verpasste Chance zu ärgern.
Wir waren kaum dreißig Minuten bei Jonas zu Hause, als Kay klingelte. Es wird so gegen 23 Uhr gewesen sein. Hatte nicht wirklich mit ihm gerechnet. Aber irgendwann kommt immer der Zeitpunkt, wo man nicht mehr zurückhalten kann, was nach draußen drängt. Und damit Kay dem freien Lauf lassen konnte, wollte ich dem nicht länger im Weg sein und ließ ihn und Jonas nach kurzer Zeit allein.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen fuhren Jonas und ich mit dem Trabi für drei Tage nach Fürstenwerder zu meinen Eltern. Auf der Hinfahrt hatten wir auch in Staffenhagen Halt gemacht. Dort kaufte Jonas eine Nähmaschine, auf der er sich inzwischen erstaunlich gut eingearbeitet und bereits vier Oberhemden fertiggestellt hat. Ich kann nur staunen, wie leicht ihm die Sache von der Hand geht.
Meine Schwester kam mit ihrem Mann auch für eine Stippvisite aus Neustrelitz. Mein Schwager sah schon wieder recht gut aus. Dafür, dass er bis vor kurzem noch mit dem Tod ums Überleben gekämpft hatte. Würde mich interessieren, was sich alle dabei dachten, dass ich einen jungen Mann mit nach Hause brachte. Keiner hat näher nachgefragt.
Die Heimreise führte uns über Thurow, wo wir meine Schwester, und über Neubuckow, wo wir Manfred mit einem Besuch beehrten. Während des Urlaubs waren wir auch noch in Bützow und Bad Doberan um Einkäufe zu tätigen. Am dritten August waren wir ein zweites Mal in Fürstenwerder. Die längst überfälligen roten Johannisbeeren mussten gepflückt werden. Und das war kein Zuckerschlecken! Von oben griff uns die Sonne und von unten griffen die Mücken an. Jeder gefüllte Eimer bezeugte unsere Quälerei. Während der Rückfahrt kauften wir noch einen großen Beutel mit schwarzen Johannisbeeren dazu. Das Wochenende verbrachten wir dann damit, die verdammten Johannisbeeren zu verarbeiten. Aus den roten soll Wein und aus den schwarzen Likör werden. So Gott daran Gefallen findet. Der Wein braucht noch Zeit, aber der Likör hat schon Geschmack. Am Montag waren wir noch immer mit dem Ansetzen des Weines zugange, als um 21.15 Uhr Kay zu mir kam. Weil es ihnen der Arbeit wegen an der nötigen Gemütlichkeit fehlte, nahm Jonas um 22.45 Uhr Kay mit zu sich nach Hause. Um dort auf Jonas‘ breiter Liege wortlos schöne Dinge zu besprechen. Ist das nicht zum Kotzen? Von mir holt sich Kay das Geld und mit Jonas kriecht er unter die Decke.
Ein Mann kann nicht in Ruhe seiner Beschäftigung nachgehen, wenn es hübsche Jungs gibt, die ihn davon abhalten. Es war Mittwoch, der 8. August. Jonas und ich steckten noch immer bis über die Ohren in der blöden Weinpansche. Erst kam um 17.30 Uhr Enrico. Ein Junge aus meiner Sektion. Der wollte nur was Organisatorisches wissen und verkrümelte sich bald. Um zwanzig Uhr aber kam Andreas. Und der wollte so schnell nicht wieder gehen. Wollte unterhalten werden. Diesmal ging Jonas aus freien Stücken allein nach Hause. Ansonsten nahm der Abend den gleichen Verlauf wie der am 10. Juli. Nur diesmal nahm Andreas die Fotos wirklich mit als er mich um 23.45 Uhr verließ.
Zwei lange Wochen war dann Ruhe im Schiff.
Inzwischen waren die Theaterferien zu Ende gegangen. Für uns begann die neue Saison am 24. August mit dem Stück „Darf ich noch ein Weilchen bleiben“ im Kleinen Haus. Obwohl das Haus ein kleines ist, reichte die Zuschauerzahl nicht aus, es wenigstens annähernd zu füllen. Und ich fürchte, selbst, wenn die Schauspieler und sämtliches Personal hinter der Bühne mitgezählt worden sind, wird es für die Statistik wenig vorteilhaft aussehen. Uns hat das Stück gefallen und wir sind nicht mit Groll, aber mit der S-Bahn nach Hause gefahren. Auf dem Weg von der S-Bahn nach Jonas‘ Wohnung überquerten wir eine größere wiesenähnliche Freifläche, an deren Rand mehrere Parkbänke aufgestellt sind. Eine davon war mit einer Horde junger Burschen belagert. An der mussten wir vorbei. Wir überlegten gerade, ob wir vielleicht besser einen anderen Weg einschlagen sollten, als sich zwei Gestalten von der Gruppe trennten und davongingen. Damit hatte sich das Risiko etwas verringert, blöde angemacht zu werden. Wir gingen also mutig weiter. Behielten aber die beiden Typen im Auge, die in einigem Abstand vor uns gingen. Und kamen dabei zu dem Schluss, dass der eine davon ganz eindeutig Kay war. Ein Irrtum war ausgeschlossen.
Wir hatten uns schon schlafen gelegt. Jonas auf der Liege, ich auf der ausgezogenen Couch. Waren auch schon halb hinübergedämmert, als es plötzlich fürchterlich und ohne enden zu wollen klingelte. Es war 23.30 Uhr. Ich schickte Jonas zum Tür öffnen, mir selbst zog ich die Steppdecke über den Kopf. Es war niemand anderes als der liebe Kay, der gekommen war, um sich von Jonas zwei Bögen Kohlepapier zu erschnorren, denn er müsse am nächsten Tag einen erneuten Lebenslauf für seine Bewerbungsunterlagen schreiben. Ideen haben diese Jungs ja schon, das muss man ihnen lassen, obwohl sie sonst reichlich naiv-doof tun. Verwundert hat mich, dass er in keinster Weise überrascht oder verlegen war, mich dort anzutreffen. Also hatte er uns von der S-Bahn kommen sehen. Dennoch wollte er sich nicht länger aufhalten, als er die Kohlebögen in Händen hatte. Jonas brachte ihn zur Tür zurück, wo die beiden unverschämt lange miteinander tuschelten. Obwohl ich mir die größte Mühe gab, konnte ich kein einziges Wort davon verstehen. Da die Stubentür offenstand, konnte ich auch nicht näher heran. Dann kam Jonas zurück und fragte mich, ob ich was dagegen hätte, wenn Kay noch bleiben würde. Na und ob ich was dagegen hatte, sogar eine ganze Menge! Habe das aber nicht gesagt. Mir kam das Kleine Haus in den Sinn. Deswegen meinte ich nur, mit leichtem ironischem Unterton, dass wir eigentlich auch nichts anderes betreiben würden wie ein Theater. Also holte er Kay wieder ins Zimmer, schaltete das Licht aus und begann ihn auszuziehen. Ich hatte damit zu tun, mich schlafend zu stellen. Ruckzuck waren beide auf der Liege zugange und erfreuten sich aneinander. Mein Herz nahm dies zum Anlass, wie wild zu arbeiten. Zuerst wolle es mir die Schläfen sprengen. Als es damit kein Glück hatte, pumpte es meinen Schwanz auf bis es wehtat. Eine kleine Weile hielt ich es noch aus, aber dann stand ich auf, schnappte meine Sachen und ging damit ins Bad, um mich dort anzuziehen. Jonas war noch nicht so weit weggetreten, dass er es nicht bemerkte. Er kam ins Bad und meinte, dass Kay nichts dagegen habe, wenn ich zwischendurch auch mal raufkäme. Oder sagte er reinkäme? Mit dem Gedanken wollte ich mich gar nicht erst anfreunden. Ich ging lieber nach Hause. Wo ich allerdings auch keine Ruhe fand.
Am nächsten Tag erzählte mir Jonas, dass Kay ihn mit zu sich nach Hause nehmen wollte, als er sah, dass auch ich dort war. Kay sei bis 1 Uhr geblieben. Jonas hatte ihn ein wenig aushorchen können. Viel Muße konnte er aber wohl kaum dazu gehabt haben. Nehme ich an. Immerhin hat er herausbekommen, dass Kay nicht so unschuldig ist, wie ich immer gedacht hatte. In Dierhagen haben seine Eltern ein Wochenendhaus. Dorthin habe Kay schon mehrmals irgendwelche Typen abgeschleppt. Aus Berlin beispielsweise. Ich bin erschüttert!
Am Montag (27. Aug.) kam Klaus runter. Er wohnt in der Vierten. Brachte eine kleine Flasche mit. Eine andere musste er schon oben ausgetrunken haben. Wenn er nüchtern ist, komme ich ganz gut mit ihm klar. Aber wenn er einen in der Krone hat, will er bei mir seine Seele erleichtern. Erzählt mir mit Tränen in den Augen von seinen kleinen Jungs, von denen er nicht die Finger lassen kann. Und wird ekelhaft zudringlich. Zum Glück kam um 21 Uhr die Erlösung in Form von Andreas. Er brachte die Bilder zurück. Klaus blieb trotzdem unverschämt lange sitzen. Obwohl ich ihn mehrmals zu gehen aufgefordert hatte. Es dauerte, bis es zu ihm durchdrang, dass er störe und von Andreas nichts abbekommen würde. Andreas blieb bis Mitternacht. Da erst hatte er sich den Bauchnabel vollgekleckert. Diesmal nahm er sich ein anderes Pornoheft mit. Um die Geschichten zu lesen, die darin abgedruckt sind, wie er sagte. In den Gesprächen, mit denen wir die Zeit bis zum Höhepunkt notdürftig überbrückten, musste ich erkennen, dass auch Andreas nicht ganz frei von Erfahrungen im Umgarnen anderer Männer ist. Es war jedenfalls keine Rede von „Freundin“ oder so. Im Gegenteil. Die Bedeutung des Terminus technicus „Hase“ oder „Junghase“ waren ihm zum Beispiel sehr geläufig.
Dumm war nur, dass Andreas das Pornoheft am darauffolgenden Donnerstag in Jonas‘ Briefkasten warf. Offenbar war bei mir unten die Haustür abgeschlossen. Und mein Name ist auf keinem Klingelschild verzeichnet. Sollte ich vielleicht demnächst nachholen.
Am Sonnabend oder Sonntag (8. oder 9. Sep.) war Dieter nach sehr langer Zeit ganz überraschend mal wieder bei mir aufgetaucht. Wir hatten ihn über Thomas und Ulf kennengelernt. Bevor er mit feuchten Augen begann, mir sein verletztes Herz auszuschütten, unterhielten wir uns über alles Mögliche. Nebenher naschten wir vom Johannisbeerlikör. Ausgiebig. Als er dann den dafür nötigen Pegelstand erreicht hatte, schilderte er mir sein Leid. Dabei holte er sehr weit aus. In seiner Klage kamen viele Personennamen vor, die mir alle nichts sagten. Oder fast alle. Habe deswegen nicht richtig zugehört und auch nur die Hälfte davon verstanden. Wenn überhaupt. Sein Freund Gunter hat ihn verlassen. Weil sich ein Zahnarzt aus Berlin an ihn herangemacht hat. An Gunter. Das war in Prerow. Da haben Dieter und Gunter, zwischen denen es schon kriselte, ihren Urlaub verbracht. Dann hat Gunter mit dem Berliner Zahnarzt in dessen Wohnung im Bett gelegen, als Ulf dazu kam. Der Ulf von Thomas. Der ist dann zu den beiden ins Bett gestiegen. Furchtbare Geschichte für meinen Geschmack. Nun liebt Gunter den Ulf. Der liebt aber nicht Gunter, sondern den Zahnarzt. Weil man ja nicht weiß, wozu der nochmal nütze ist. Kompliziert, kompliziert. Als Dieter endlich mit seiner Geschichte zu Ende gekommen war, hat er mir die schöne Couch vollgeheult. Und ich hatte gewaltige Kopfschmerzen. Aber nicht vom Likör. Als er weg war, musste ich mich für ein Stündchen aufs Ohr hauen. Musste meinen überstrapazierten Denkzellen Entspannung verschaffen.
Dieter hatte Jonas und mich zum 14. September zu sich nach Hause eigeladen. Er residiert in Lütten Klein. Dort hat er dann Jonas dieselbe Geschichte auseinander- und wieder zusammengesetzt. Da hab ich sie dann verstanden. Oder nicht?
Den Teil der Geschichte, den Ulf einnimmt, mag ich gar nicht glauben. Dass er sich so schnell anderweitig umgesehen hat, ist traurig. Er und Thomas waren ein so schönes Paar. Vielleicht musste Ulf seine Hoffnung begraben, jemals wieder in Thomas‘ Armen zu liegen. Und ein Junge wie er, mit hervorragendem Körper und voller Saft, hat natürlich alle Chancen auf seiner Seite. Noch jedenfalls. Ich wünsche mir, das Thomas und Ulf irgendwann eine Möglichkeit finden, sich wieder zu vereinen.
 
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