kaputte Gedichte
Liebeslied
Wenn dein Haar schwarz gelockt oder lang und blond zur Seite fällt und sich darin verfängt der Wind, wenn du einer Birke gleich dich in den Hüften wiegst und die Sonne lacht dir ins Gesicht, Freude aus deinen Augen spricht und wenn du ausstreckst nach mir die Arme, immer dann begehr ich dich.
Dann, wenn das klare Eis auf den Seen morsch zerbricht, der letzte Schnee in Bächen langsam von den Bergen fließt, wenn durch der Sonne Strahlen hervorgelockt das erste frische Grün und Wiesen sich verwandeln in lebende Blütenmeere, der erste Schmetterling bunt seinen Nektar sucht, kleine Kätzchen sind niedlich anzuschauen im Heu und an Gesträuch und wenn dein Lachen mein Herz erfreut, immer dann begehr ich dich.
Wenn im Sommer kühles Naß zum Bade lädt und die Ufer leuchten weiß im Sonnenschein, später dann die ersten Blätter golden von den Zweigen fallen, bunte Drachen in die Lüfte sich erheben und bis in graue Wolken steigen, weite Segel, vom Winde schwanger, die Wellen schneiden und zur kalten Zeit Flocken tanzen zauberhaft, wenn du mir Eisblumen von den Fenstern pflückst und mit zärtlichem Blick meine Seele wärmst, immer dann begehr ich dich.
Wenn deine Haut so zart ist wie ein Pfirsich, du schlank, und braun dein Körper ist, wenn du bist wie des Herrn Lucius' schwarzer Schwan und du schüchtern vor mir deine Lieder hebst, wenn Jugend und Schönheit dein Name, Sonne und Mond Mutter und Vater sind, wenn du mir nah und wenn du in der Ferne bist, immer dann begehr ich dich.
Wenn deine Mutter dem Meer entsteigt und der Morgen die Welt erhellt, dein Vater sich zur Ruhe legt, Vögel singend üben für den Tag, wenn die Stunden vergehen wie im Fluge, die Sonne wieder hinterm Horizont versinkt und der Mond seine Schicht beginnt, wenn vom See her ertönt ein Abendkonzert und dunkle Schatten liegen auf deinem Gesicht und wenn du sagst, ich liebe dich, immer dann begehrst du mich.
Prenzlau 1976
(Rostock, 05. Mai 2011)