Die Hoschköppe / 110. Kapitel - Abstrakte Irrwege

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Die Hoschköppe / 110. Kapitel

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Donnerstag, 2. Februar 1989


Heute betrat ich meine Wohnung nur, um mich fürs Theater umzuziehen. Im Briefkasten lag ein Brief von meiner Schwester.


Lieber Friedemann!                                                                                        Neustrelitz, d. 31.1.89
Nachdem ich tagaus, tagein ohne einen kleinen Brief von Dir vom Briefkasten zurückkomme u. nichts als die Freie Erde hochhole, ist mir die Sache über u. ich muß erst mal schreiben! Ich weiß bloß nicht, ob ich mit Dir schimpfen soll oder es lieber lasse! Hast Du denn Deine beiden „Mädels“ in Neustrelitz vergessen? Siehst Du, schon wieder fange ich an zu heulen. Du solltest doch eigentlich wissen, was mir ein Brief von Dir bedeutet, und läßt mich solange warten. Nun aber genug davon, sonst muß ich aufhören, weil mir andauernd die Brille beschlägt. Also, wie geht es Dir und Jochen? Wie waren das Weihnachtsfest u. der Jahreswechsel? Bei uns geht alles im alten Trott. Edwin geht es ganz gut. Du weißt ja, solange er Arbeit hat, ist alles in Ordnung u. da ja noch kein Schnee war, konnte er sich immer irgendwie beschäftigen. Vorige Woche haben wir Küche, Bad u. Korridor gemacht u. darüber bin ich sehr froh. Die Küche hat er mit Susanne gemacht (sie hat uns dabei überrascht) u. die anderen beiden Räume mit Wolfram. Es war ja fürs Frühjahr geplant u. die Jungs sollten es ja machen, aber Edwin wollte mal sehen, ob wir das auch alleine packen. Aber es ging dann doch nicht u. so ist dann Wolfram von Susanne abdelegiert worden u. da hat’s dann geklappt.
So, nun zu Mutti! Sonntag war ich wieder bei ihr. Und Volkmar hat mich abgeholt. Morgen fahre ich wieder. Ich habe immer noch den gleichen Rhythmus: Mittwoch u. am Wochenende. Ich kann nicht sagen, daß es ihr schlecht geht, eben so wie immer. Aber auch nicht gut. Manchmal ist es bißchen besser u. dann ist wieder alles durcheinander. Neulich habe ich mich mal sehr gefreut. Mutti hat ein anderes Zimmer. Gleich vorne bei der Küche u. auch eine andere Zimmerkollegin. Die Schwestern haben sich dazu entschlossen, weil die Oma Lübke es zu doll mit Mutti getrieben hat. Na, nun hat die eine rein bekommen, die läßt sich nichts gefallen. Ich hatte das schon mal zur Sprache gebracht u. vielleicht haben auch die alten Damen von nebenan, die ja immer alles mithören, etwas gesagt. Auf jeden Fall hat sie es nun besser. Ich glaube, Du hast die Oma gesehen. Wenn ich nicht irre, hat sie, wie Du da warst, mit uns Kaffee getrunken. Sie ist viel ruhiger u. meint es gut mit Mutti. Allerdings ist die auch schon ganz schön wuschig, hat keine Angehörigen u. freut sich wie ein Kind, wenn „Evi“ kommt. Unsere Mutti ist lange nicht mehr so ängstlich, wie sie mir so oft vorkam. Ich habe ein ziemlich gutes Verhältnis zum Personal u. bilde mir ein, daß unsere Mutti davon profitiert. So kommt es mir jedenfalls vor. Ich bin da schon bald wie zu Hause. Wenn‘s nötig ist, geht‘s nach dem Kaffee schnell mit Eimer u. Besen rund u. ruck zuck ist alles wieder in Ordnung, soweit es geht. - Ach so ja - Weihnachten hat alles ganz gut geklappt. Am 24. haben wir sie vormittags geholt u. schön gebadet. Nachmittags war dann ja Familientreffen. Den 25. haben wir drei dann in aller Ruhe verbracht u. am 26. nachmittags sind wir dann wieder mit ihr rausgefahren. Anschließend waren Edwin u. ich bei Susanne. Inzwischen war bei mir dann alles wieder etwas abgeklungen u. tat nicht mehr zu weh. Ich kann eben nicht aus meiner Haut. Habe immer wieder ein schlechtes Gewissen. Am 27. waren wir dann zu Volkmars Geburtstag. Silvester u. Neujahr war Alex mit Fam. bei uns. Es war ganz lustig. Mit wenig Alkohol, aber viel Eßbarem. Am 29., zu Muttis Geburtstag, hat Edwin mich mit Sack u. Pack rausgefahren u. 1/2 6 wieder abgeholt. Es gab für alle, die auf dem Flur da waren, Torte + Kuchen + Kaffee u. wie ich vom Abwaschen zurück war, hatten die alten Leutchen die Flasche Kirsch schon fast aus. Als ich kam, hatten die Schwestern schon in der Nische eine Tafel eingedeckt mit gutem Geschirr u. Kerzen u. Blumen. Darüber habe ich mich sehr gefreut u. brauchte meinen Waschkorb mit Geschirr u. Tischtücher gar nicht auspacken. Es waren zehn Frauen beisammen u. alle reden noch davon, wenn ich komme. Ich glaube, die Lösung war ganz gut. Ich hatte Mutti ihr gutes Kleid mitgenommen u. sie sah ganz flott aus. - So, mein Lieber Friedemann, das war‘s, was sich bei mir so alles angesammelt hatte. Am 24. waren wir bei Wolfram zum Geburtstag u. die Jugend hat Sonnabend gefeiert. Seine u. unsere Jungs mit Frauen, sie waren 18 Pers. u. da ging‘s rund, sagte Susanne. Nun aber genug für heute. Bleib gesund u. laß von Dir hören od. sehen.
Viele Grüße Deine Edeltraud u. Edwin.
Susannes Hochzeit ist erst am 30. September, halte den Termin frei!

Mittwoch, 1. Februar 1989 - Freitag, 17. Februar 1989

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