Die Hoschköppe / 64. Kapitel - Abstrakte Irrwege

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Die Hoschköppe / 64. Kapitel

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Donnerstag, 20. Oktober 1988


Im Blumenladen gab es heute Blumenerde. Auf dem Weg dorthin fragte Jochen: „War es schön gestern Abend?“
„Du gibst nicht auf, was?“, antwortete ich.
„Ich weiß, dass ich das vorhin schon mal gefragt habe, aber du hast ja nicht darauf reagiert. … und, war es nun schön oder nicht?“
„Es war sogar wunderschön!“
„Ja?“, zweifelte Jochen. „Und was hat er alles mit dir gemacht?“
„Oh, alles, was man sich nur wünschen kann.“
„Nun mal im Ernst! Er ist doch bestimmt auch bald gegangen, oder?“
„Zehn vor zehn, als Denver aus war.“
Beim Abendbrot setzten wir unser Gespräch fort. Ich fragte Jochen: „Wie kommst du überhaupt darauf, dass etwas passiert sein könnte?“
„Hat er sich denn nicht ankommen lassen?“ Jochen ließ nicht locker.
„Ich habe es gar nicht probiert. … bei Raymond doch nicht!“
„Warum denn nicht! Der würde bestimmt mitmachen. Thomas sagte, dem wäre das egal. Ich habe ihn dann gefragt, ob er denn schon mit ihm im Bett war. Das wäre schließlich nichts Unnormales. Aber davon wollte er nichts hören, da ging er gleich zu einem anderen Thema über. Und Raymond hat doch gestern selbst gesagt, ihm wäre das egal.“
„Wie meinst du das? Wann hat er das gesagt?“, fragte ich erstaunt.
„Na, als es um den Kühlschrank ging, da hat er es gesagt.“
Ich rekapitulierte: „Er sagte, dass er Hunger hat. Daraufhin sagte ich, dass er da kein Glück bei mir hat, dass ich nur Schluck im Kühlschrank habe, aber der ist jetzt auch alle, jetzt ist nur noch Pflaumenmus drin. Ihr müsst ihm gesagt haben, dass ich nur Schnaps drin habe, denn das hat er gewusst.“
„Das haben wir ihm nicht erzählt.“
„Müsst ihr ja! So, dann hat er gesagt, dass ich ihm Bescheid sagen soll, wenn ich den Kühlschrank wieder aufgefüllt habe. Er will dann mit mir heimlich einen draufmachen. Na und? Das hat er doch nicht ernst gemeint.“
„Doch! Du hast dann gesagt, dass du dann leichtsinnig wirst.“
„Ich habe gesagt, dass ich dann leicht hemmungslos werden könnte.“
„Na gut, dann eben hemmungslos. Da hat er gesagt, das wäre ihm dann egal!“
„Das habe ich gar nicht mitbekommen“, ärgerte ich mich.
„Ich aber umso besser!“
Wo er doch so schlecht hören kann!, dachte ich und fragte ihn: „Ach, deswegen ist wohl Thomas abgehauen?“
„Nein, der war ja da schon weg. Den ärgert nur, dass Raymond so gut ankommt bei dir. Jetzt weiß er endlich, wie das ist, wie es mir erging. Das schadet ihm aber gar nichts. Der hatte sich neulich schon darüber beklagt, dass sich Raymond für dich interessiert, als ich mit ihm alleine gesprochen habe. Du kamst doch dann mit Roland. Da war Thomas von Raymond gekommen.“
„Kann er gar nicht, denn Raymond war ja bei mir.“
„Eben deswegen hatte er ihn auch nicht angetroffen und kam darum zu mir.“
„Das finde ich aber komisch, warum bringt er Raymond immer mit? Dann soll er doch alleine kommen.“
Erst am Wochenende hatte Jochen wieder rumgezickt. Er war auf Thomas sauer, weil der mehr mit Raymond zusammensaß, statt mit ihm. Ich hatte Jochen dann damit aufgezogen, dass er auf Raymond ganz schön eifersüchtig sei. Nun kriegte die Sache wieder eine ganz andere Richtung. Hier ist wohl, glaubte ich, jeder auf jeden eifersüchtig.
„Und noch eins finde ich komisch“, sagte ich, „wenn du damit gerechnet hast, dass Raymond mitmachen würde, warum hast du uns dann allein gelassen?“
„Was meinst du denn, warum ich gegangen bin?“
„Na, weil du ins Bett wolltest? … ach, mit Raymond kann ich! Aber mit Thomas nicht?“
„Den kriegst du nicht!“ Nach einer Weile sagte Jochen: „Gestern, auf dem Weg zu dir, fingen die beiden wieder von Schwänzen zu erzählen an. Raymond wollte von Thomas wissen, warum er nie mit an den Effi kommt, auf seinen Kleinen würde sowieso niemand draufkucken.“
„Ach, dann geht er also mit dem auch nicht an den Strand. Und ich dachte, er geht nur mit uns nicht mit“, wunderte ich mich.
„Nee, nee, mit dem geht er scheinbar auch nicht mit. Raymond muss wohl einen ganz schön Großen haben, nehme ich an. Mit Thomas seinem muss wohl doch irgendwas sein. Die Vorhaut hat er jedenfalls noch, hat er mir mal gesagt.“
„Kuck mal an, worüber ihr euch schon unterhalten habt!“ Ich bat Jochen, nachher auch meine Stullen für die Arbeit einzuwickeln, denn ich hatte es eilig zum Bus zu kommen.
„Du hast heute Glück“, sagte Jochen.
„Wieso?“
„Thomas ist heute nicht da.“
„Wieso nicht da, wo ist er denn?“
„Der ist bei seiner Oma.“
„Da wird die sich aber freuen! Das wusste ich gar nicht. Wann hat er das gesagt?“
„Gestern bei dir, du warst wohl noch im Bad.“
Während der Busfahrt und auch noch beim Überqueren des alten Warnemünder Friedhofs dachte ich intensiv über Thomas nach. Ich rief aus meinem internen Speicher alle Erinnerungen an dessen Schwanz zurück, an dem meine Lippen und Finger nichts Ungewöhnliches gespürt hatten. Bei dem Bild, welches mir vor Augen schwebte, einem runden Nest, das sich in eine kleine Astgabel schmiegt und aus dem gerade zwei Spatzeneier gekullert waren, schwoll mein eigenes Glied unaufhaltsam an und verbreitete ein angenehmes Gefühl in der Hose. In der diskreten Dunkelheit meines Zimmers hatte ich Thomas‘ Schwanz für schön gewachsen und auch nicht zu klein befunden. Ich hatte diesen Teil für ebenso liebenswert gehalten, wie den übrigen Körper auch.


Mittwoch, 19. Oktober 1988 - Sonntag, 23. Oktober 1988

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