Die Hoschköppe / 3. Kapitel - Abstrakte Irrwege

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Die Hoschköppe / 3. Kapitel

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Freitag, 15. April 1988


Kam heute erst sehr spät nach Hause, das heißt zu Jochen. Der Arbeitskreis traf sich abends in der ESG und deren Räumlichkeiten befinden sich am anderen Ende der Stadt. In der Wohnung war alles dunkel, Jochen lag bereits im Bett, war aber noch wach. Ich erzählte ihm ganz kurz, was es im Arbeitskreis gegeben hatte und fragte, ob sich hier etwas Neues ereignet habe.
Er berichtete, dass um 21.30 Uhr wieder geklingelt wurde. Es war aber niemand zu sehen. Und das er heute mal rüber war. Er hat sich bis in den vierten Stock hochgewagt und versucht, das Türschild zu entziffern. Pohl oder Pahl? Die Buchstaben sind zu verschnörkelt.
Wir spekulierten noch eine Weile über die möglichen Motive, die den Bengel veranlasst haben mochten, solch eine Aktion zu starten. Ich war inzwischen zu Jochen ins Bett gekrochen und meinte, Neugier oder Hass wären denkbar, wahrscheinlicher sei aber, dass der sich selbst und vielleicht anderen gegenüber ein Alibi verschaffen wolle. Da wir ihn oft allein in seinem Zimmer sehen, schlussfolgerten wir, er könne nur wenige oder gar keine Freunde haben. Seine Lieblingsbeschäftigung schien eindeutig darin zu bestehen, auch das hatten wir bereits herausgefunden, sich alle naslang umzuziehen, denn alle Augenblicke hatte er andere Klamotten an, in denen er sich vor dem offenen Fenster drehte und wendete.
Immerhin hat er es auf seine Weise erreicht, dass wir uns die meiste Zeit nur noch mit ihm beschäftigen. Trotz der Fehler in seinem Brief halten wir ihn für einigermaßen intelligent.



Dienstag, 12. April 1988 - Sonntag, 24. April 1988

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